Heimat A.T. (Ein Klassenzimmer-) Solo für heimatverbundene Menschen ab 10 Jahren

Datum: 
Samstag, 23. März 2019 - 16:00

23.03.19 / 16:00 / Eintritt 4,- €
Theater
Heimat A.T. (Ein Klassenzimmer-) Solo für heimatverbundene Menschen ab 10 Jahren
Das Mülheimer HEIMATMINISTERIUM und das CASAMAX Theater zeigen: Heimat A.T. (Ein Klassenzimmer-) Solo für heimatverbundene Menschen ab 10 Jahren Azmi ist angekommen. Das hatte er zumindest gehofft, nach einer langen einsamen Flucht, die ihn nicht nur über Landesgrenzen, sondern immer wieder auch weit über seine eigenen Grenzen hinaus getrieben hat. Jetzt ist er in Sicherheit. Das hatte er über dieses Land gehört und das steht auf einem Stück Papier. Sicherheit, das ist das, was er verloren hat. Neben seinem Vater, seiner Mutter, seinen beiden Brüdern, seinem Haus, seinem Hund, seinem Lieblings‐TShirt, vor allem aber: Seiner Zukunft. Seiner Vergangenheit. Und irgendwie auch seinem Jetzt. Hier aber, in diesem Land: Da ist die Sicherheit zuhause. Doch in Azmis Klasse ist Enno. Und Enno beschützt sein Land vor solchen wie Azmi, die gekommen sind, um zu nehmen, was ihnen nicht gehört, ihnen nicht zusteht. Überfremdung. Dieses Wort hat Azmi von Enno gelernt. Ebenso wie Volksfeind. Schmarotzer. Ausländerschwein. Enno beschützt seine Heimat vor dem Fremden. Azmi würde sich dagegen wehren, wäre er nicht so müde. Er musste seine Heimat wegen dem Vertrauten verlassen. Aber Enno kann er das nicht erklären. Und als Azmi spätabends die Turnhalle verlässt, stellt er fest: Das war keine gute Idee. 28.300 Menschen fliehen im Durchschnitt jeden Tag auf der Welt. Im Schnitt wird alle drei Sekunden jemand auf der Welt zur Flucht gezwungen. Einer von 113 Menschen weltweit ist von Flucht und Vertreibung betroffen. Ende 2016 waren 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht. 50 Prozent der Flüchtlinge weltweit sind Kinder. 2016 stellten 75.000 unbegleitete Flüchtlingskinder Asylanträge. Die Welt brennt. In Deutschland spüren wir nur die entfernten Ausläufer dieses Flächenbrandes. Und dennoch greift eine nur absurd zu nennende Angst um sich. Was passiert mit Kindern, die in dieser Zeit aufwachsen? Was machen die Schlagzeilen mit ihnen, die Satzfetzen, die sie beim Bäcker erlauschen. Wann werden sie zum Sprachrohr einer
überbesorgten Erwachsenengeneration, wann zum Opfer gefilterter Informationen? Wie beschützt man seine Heimat, wenn man immer wieder hört, dass sie bedroht ist? Und was passiert mit den anderen Kindern, die in dieser Zeit aufwachsen? Deren Eltern verschleppt werden, deren Spielräume immer weiter eingeschränkt werden, die in Schutt und Trümmern aufwachsen. Wie können sie sich wehren gegen Repression, wie können sie an ungefilterte Information gelangen? Wann verlässt man seine Heimat, weil man selbst bedroht ist? Und was ist Heimat dann eigentlich noch? Ist der Heimatbegriff nur noch ein Arbeitstitel? Was bedeutet Heimat in Zeiten, in denen Millionen Menschen gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen und anderswo kaum willkommen sind? Was bedeutet Heimat für andere Menschen, die im Zeitalter der Mobilität und permanenten Beschleunigung leben? Uns interessiert es, mit dieser Theaterarbeit Kindern ab 10 Jahren nahe zu bringen, wie nah beieinander Fremdheit und Vertrautheit liegen. Und wie flüchtig der Begriff von Heimat ist in einer Zeit, in der sich Systeme täglich auf den Kopf stellen. Um die große Nähe des scheinbar Unvereinbaren sichtbar zu machen, lassen wir Heimatbedrohung, Heimatverlust, Heimatschutz, Heimatwissen, Heimatkampf von einer Person spielen. Jeder von uns kann Azmi sein. Azmi, der Entschlossene, der alles Vertraute zurück ließ, weil ausgerechnet das Vertraute sich gegen ihn gewandt hat. Jeder von uns kann Enno sein, Enno, der Kämpfer, der seine Heimat verteidigt gegen eine Bedrohung, die er selbst gar nicht fassen kann, die aber da sein muss, wenn so viele sie spüren. Was unterscheidet uns? Was bringt uns zusammen? Künstlerisch ist uns dabei wichtig, dass alle Figuren, alle Perspektiven von einer Spieler*in verkörpert werden, die ganz bewusst eine Frau ist und somit keinerlei Identifikation mit einer der möglichen Perspektiven wahrscheinlicher macht, weil sie per se keine der vorgestellten Figuren wirklich sein könnte. In nahezu Brechtscher Manier stellt so die Anwesenheit der Spieler*in in den Figuren die entscheidenden Fragen: Was heißt denn eigentlich deutsch sein? Woran macht man das fest? Was bedeutet eigentlich Heimat? Was sind denn unsere Werte? Und wie lebt man sie? Und sind sie wirklich unterschiedlich von denen anderer Kulturen? Wirklich? Ein Flüchtling ist jemand, der auf der Flucht ist. Ein Geflüchteter ist jemand, der angekommen ist. Konzept/Text/Regie: Ragna Kirck Spiel: Franziska Schmid Ausstattung: Ragna Kirck Dramaturgie: Karoline Bendig Musik: Klaus Jacobs Produktionsleitung: Hille Marks, Ragna Kirck Technik: Klaus Jacobs Graphik + Layout: Sabina Kukuk Fotos: Monika Nonnenmacher Interview‐/Probenklassen: Maren‐Irina Lutz DVD: Roman Holtwick