Ehemalige iranische Botschaft in Bonn besetzt am 8.3.2018 !
Diese Aktion soll ein Zeichen für Solidarität mit den emanzipatorischen
Protesten im Iran setzen und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, der
neoliberalen Stadtpolitik in Bonn einen nicht-kommerziellen Raum der
Begegnung und der Selbstverwaltung entgegenzusetzen.
Seit Monaten sind die Menschen im Iran wieder auf der Straße, um ein
weiteres Mal gegen das iranische Regime zu protestieren. Sie tun dies
trotz des Risikos auf Gefängnisstrafen, Folter oder Ermordung. Die
Bandbreite der Gründe umfasst Kämpfe für gerechte Arbeitsverhältnisse,
für die Freiheit von politischen Gefangenen, außerdem die Forderung nach
geringeren Lebensmittelpreisen, Heizkosten und Mieten. Die Forderungen
nach Veränderungen reichen von einer Demokratie nach westlichem Vorbild
bis hin zu einer nicht kapitalistischen Gesellschaft.
Neben den progressiven Kräften beteiligen sich aber auch reaktionäre
Interessensgruppen an den Protesten. So finden sich auch Anhänger*innen
des Schahs darunter, die darauf hoffen, dass die aktuellen Machthaber
durch ein anderes, autoritäres Regime ersetzt werden.
Das iranische Regime geht entschlossen gegen die Protestierenden vor:
Laut der iranischen Regierung wurden seit Beginn der Proteste 3500
Regierungsgegner*innen eingesperrt. 50 mussten ihren Widerstand sogar
mit dem Leben bezahlen. Aktivist*innen gehen von deutlich höheren Zahlen
aus.
Wir haben Ort und Zeit bewusst gewählt, um uns am internationalen
Frauenkampftag mit kämpfenden Frauen weltweit solidarisch zu zeigen.
Eine lebenswerte Welt können wir uns nur im Sinne der radikalen
Gleichberechtigung von allen Geschlechtern vorstellen. Die Besetzung der
iranischen Botschaft soll als solidarischer Gruß an die mutigen Frauen
im Iran gesendet werden, die sich gegen das repressive und patriarchale
Regime auflehnen.Vor allem sie haben unter dem aufgezwungenen
Sittendiktat der iranischen Despoten zu leiden. Ihnen geht es u.a. darum
die sozialen Restriktionen wie den Zwang zum Tragen des Kopftuches im
öffentlichen Raum aufzuheben. Sie fordern die selbstbestimmte
Entscheidung darüber, ob Frauen ein Hijab tragen möchten und dies als
Teil ihrer Identität verstehen oder nicht.
Wir sind darüber hinaus ein Zusammenschluss verschiedener Menschen, die
sich mit dem Thema Recht auf Stadt und Stadtentwicklung von unten
auseinandersetzen. Wir sehen, dass sich in Bonn gerade eine Menge
verändert und dass dies nicht unbedingt zugunsten der Bürger und
Bürgerinnen geschieht. Das lässt sich an den verschiedenen Initiativen
erkennen, die versuchen, ihrem Willen eine Stimme zu verleihen, so wie
„Viva Viktoria“ im Viktoria Viertel, „Kurfürstenbad bleibt“/“Frankenbad
bleibt“ in Bezug auf das geplante Zentralbad und vielen anderen.
Zusätzlich steigen die Mieten stetig und die Leerstände werden immer mehr.
Mit Sorge sehen wir die Entwicklungen, in denen wir zu erkennen glauben,
dass Bonn im Stile einer neoliberalen Politik zusehends
einkommensschwächere Menschen verdrängt, das Stadtbild mit
Einzelhandelsketten und Großunternehmensbüros vereinheitlicht und
anonymisiert.
Um gegen diesen Prozess zu protestieren und ihm etwas entgegenzusetzen,
haben wir besagtes Gebäude bezogen. Hier werden wir in der nächsten Zeit
ein kulturelles Zentrum eröffnen, in dem Menschen die Möglichkeit
gegeben werden soll, sich selbstständig zu organisieren, zu begegnen und
auszutauschen. Weil es kaum Orte in Bonn gibt, an denen Menschen sich
aufhalten können, ohne Eintritt bezahlen oder etwas kaufen zu müssen,
wollen wir einen Raum eröffnen, an dem dies möglich ist. Weil wir einen
solchen Ort des freien Austauschs für wichtig halten, haben wir diesen
ohnehin leerstehenden Ort bezogen, um ihn mit Leben zu füllen.
In der nächsten Zeit werden wir diesen Raum nutzen, um uns über
emanzipatorische Kämpfe weltweit und vor allem im Iran auszutauschen und
zugleich Impulse für eine gerechtere Stadtentwicklung zu setzen.
Wir haben vor, hier das Institut für Anarchismusforschung zu etablieren.
Als Agentur gegen Arbeit geht es uns darum, eine radikale Kritik an den
bestehenden Verhältnissen zu entwicklen, in denen Menschen nicht nur
unter autokratischen Regimes wie dem Iran, sondern auch unter
kapitalistischen Disziplinierungen, wie dem Leistungszwang und
Konformismus leiden.
Interessierte sind herzlich eingeladen vorbei zu kommen, sich mit uns zu
unterhalten und dabei zu sein wie dem alten Gebäude neues Leben
eingehaucht wird!