ERINNERN, ANKLAGEN, HANDELN. Kundgebung zum 20. Jahrestag des NSU-Anschlags in der Probsteigasse Köln
Liebe Antifaschist*innen,
Morgen am 19. Januar 2021 jährt sich der NSU-Anschlag in der
Probsteigasse zum 20. Mal. Die Genoss*innen von K2 -
Interventionistische Linke rufen deshalb zur Gedenkundgebung auf!
Morgen 17 Uhr, Probsteigasse Köln
Aufgrund der Corona Pandemie wurde die Teilnehmer*innenzahl auf 50
festgelegt. Damit die Stimmen der Betroffenen, die nahezu vergessenen
Anschläge, von so vielen Menschen wie möglich gehört werden wird es
morgen auch einen Live-Stream geben:
https://www.twitch.tv/22445566778811?sr=a
https://k2koeln.noblogs.org/post/2020/12/29/erinnern-anklagen-handeln/
Erinnern. Anklagen. Handeln.
Am 19. Januar 2021 jährt sich der Anschlag der Terrororganisation
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in der Kölner Probsteigasse zum
20. Mal. Zu diesem Anlass werden wir um 17 Uhr eine Gedenkkundgebung in
der Probsteigasse durchführen. Der Anschlag, sowie weitere rechte
Anschläge in Köln, sollen nicht vergessen werden; die Forderung nach
Aufklärung nicht verhallen.
Anschlag des NSU in der Probsteigasse
Beim Sprengstoffanschlag des NSU in einem Lebensmittelgeschäft in der
Kölner Probsteigasse wurde Masha M., die Tochter des Geschäftsbesitzers
mit iranischer Migrationsgeschichte, schwer verletzt und überlebte nur
durch Glück. Der zweite Anschlag des NSU in Köln traf 2004 die
Keupstraße. Über zwanzig Menschen wurden schwer verletzt, auch hier gab
es nur durch Glück keine Toten.
Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 und einem fünf Jahre andauernden
Prozess vor dem Oberlandesgericht München wurde im Sommer 2018 das
Urteil gesprochen. Es war für viele Betroffene erneut ein Schlag ins
Gesicht. Der Gerichtsprozess um die NSU hat bei Weitem nicht die
versprochene lückenlose Aufklärung gebracht.
Nicht aufgeklärt
Die Polizei ermittelte nach der Tat im Jahr 2001 nicht bzw. unzureichend
in die Richtung eines rassistischen Tatmotivs. Im Gegenteil: Zuerst
wurde die betroffene Familie verdächtigt. Im Fall der Probsteigasse, wie
auch bei anderen Anschlägen des NSU, wurden die Opfer zu Täter:innen
gemacht. Die Behörden folgten hier rassistischen Mustern und ordneten
People Of Colour einem „kriminellen Milieu“ zu. Im Fall Probsteigasse
bleiben weitere Fragen: Wer waren die (Mit-)Täter:innen? Welche Rolle
spielte der Verfassungsschutz bei den Taten des NSU? Auch wenn wir keine
zufriedenstellenden Antworten von den Behörden erwarten, werden wir
weiterhin auf Aufklärung drängen!
Rechter Terror in Köln
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1989 kam es bundesweit in den
folgenden Jahren zu einem dramatischen Anstieg rechter Gewalt, begleitet
von einer medialen Kampagne gegen Geflüchtete. Während in der Politik
und der Bevölkerung darüber diskutiert wurde, wie die „Asylantenflut“
einzudämmen sei, waren rassistisch motivierte Ausschreitungen wie in
Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen oder Anschläge in Hünxe, Mölln und
Solingen an der Tagesordnung.
Drei weitere Ereignisse reihen sich in diese Aufzählung ein, sind jedoch
weit weniger bekannt: Ende 1992 legten unbekannte Täter:innen eine
Paketbombe vor die Tür einer türkischstämmigen Familie in
Köln-Ehrenfeld. Nur durch Zufall zündete nicht der Sprengsatz, sondern
lediglich der Zünder der Bombe, der zwei Menschen schwer verletzte.
Sonst hätte es Tote gegeben. Im Frühjahr 1993 versteckten Unbekannte
kleine Sprengsätze in Haushaltsgeräten und deponierten sie in Straßen in
Köln-Bilderstöcken und Weidenpesch, die überwiegend von Menschen mit
Migrationsgeschichte bewohnt waren. Zwei Menschen wurden schwer
verletzt, als sie die Geräte aufhoben.
Und schließlich verübten am 26. Januar 1994 Unbekannte einen
Brandanschlag auf eine Notunterkunft in Köln-Gremberg, in der unter
anderem geflüchtete Roma untergebracht waren. Zwei Menschen starben,
sechs weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Vertreter:innen von
Behörden oder der Stadt kümmerten sich nicht um die Familie. Stattdessen
wurde sie mit Abschiebung bedroht.
Unaufgeklärte Anschläge in Köln
In keinem dieser Fälle konnten die Täter:innen ermittelt werden. Ein
rassistischer Hintergrund der Taten wurde kaum in Betracht gezogen. Die
Perspektiven der Opfer und ihrer Familien spielten keine große Rolle.
Die Medien übernahmen größtenteils die polizeiliche Erzählung eines
„verrückten Einzeltäters“.
Dabei gleichen zwei der vom NSU verübten Anschläge in der Vorgehensweise
stark den unaufgeklärten Anschlägen in Köln aus den 1990er Jahren. Neben
der Probsteigasse ein Anschlag auf eine türkeistämmige Reinigungskraft
in einem Lokal in Nürnberg. Dieser Sprengstoffanschlag gelangte jedoch
erst vierzehn Jahre später überhaupt in den Fokus der Ermittlungen, als
rechte oder rassistische Gewalt nach der Selbstenttarnung des NSU zu
einem nicht mehr zu ignorierenden Thema wurde. Auch und gerade weil die
Opfer und Angehörigen diese Auseinandersetzung vehement einforderten.
Nährboden für rechte Gewalt
Rechtsterrorismus ist Teil einer viel umfangreicheren Gewalt von
rechtsaußen und für die Betroffenen eine alltägliche Realität in
Deutschland. Sie vollzieht sich nicht im luftleeren Raum, sondern wird
ausgeübt vor dem Hintergrund politischer Debatten und gesellschaftlicher
Verhältnisse. Täter:innen fühlen sich bestätigt von einem politischen
Klima, in dem sich die Grenzen des Sagbaren online wie offline immer
weiter verschieben und die Feindbildbestimmung zur Normalität der
politischen Auseinandersetzung geworden ist. Kassel, Halle und Hanau
sind der traurige Beweis dafür.
Diese von Hetze und Menschenverachtung geprägten Diskussionen werden
nicht zuletzt von der AfD vorangetrieben. Die Partei und ihr Umfeld sind
geprägt von autoritären Gesellschaftsbildern und propagieren ein als
ethnisch homogen gedachtes Volk. Diejenigen, die nicht diesen
Vorstellungen entsprechen, sollen ausgeschlossen werden. Viele der
selbst ernannten Querdenker:innen verbreiten ähnliche nationalistische
Ideen, Antisemitismus sowie Verschwörungserzählungen. Und so bereiten
sie zusammen mit AfD & Co den Nährboden für rechte Gewalt.
Die Solidarität mit Betroffenen rechter Gewalt muss auch immer ein
konsequentes Eintreten gegen den (Alltags-)Rassismus, Antisemitismus und
völkischen Nationalismus beinhalten – egal wer ihn vertritt.
Vor diesem Hintergrund wollen wir am 19.01.2021, dem zwanzigsten
Jahrestag des Probsteigassenanschlags, allen Betroffenen und Todesopfern
rechter Gewalt gedenken!