Symposium: 25 Jahre danach – Der Kosovo-Krieg und seine Folgen

Datum: 
Samstag, 20. April 2024 - 11:00
Ort: 
Universität zu Köln
Veranstalter_in: 
Gruppe Polaris
Bild: 

Symposium: 25 Jahre danach – Der Kosovo-Krieg und seine Folgen
Ort: Hörsaal II, Hauptgebäude der Universität zu Köln

mit Željko Taraš, Krsto Lazarević und Richard Schuberth.

Am 24. März 1999 begannen NATO-Streitkräfte mit der Bombardierung Jugoslawiens. Vor dem Hintergrund des blutigen Zerfallsprozesses der jugoslawischen Föderation erfolgte die Intervention mit der offiziellen Begründung, Albaner:innen im Kosovo schützen zu müssen. An vorderster Front dabei: Deutschland.

Der Kosovo-Krieg war nicht nur der erste Krieg, an dem sich Deutschland nach 1945 aktiv beteiligte. Ebenso können die Begründungen für den Kriegseinsatz seitens der rot-grünen Regierung als Zäsur gelten: Während der Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) argumentierte, das Ziel sei die „Abwendung einer humanitären Katastrophe“ bzw. die „Verhinderung ihres weiteren Anwachsens“, verteidigte der damalige Außenminister Joschka Fischer auf dem Sonderparteitag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN den NATO-Einsatz mit dem Verweis auf Auschwitz: „Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen. Deswegen bin ich in die grüne Partei gegangen.“ Beachtlich war zudem die Kriegspropaganda, die durch Verbreitung überzogener und unwahrer Behauptungen wie dem erfundenen “Hufeisenplan” darauf zielte, die öffentliche Unterstützung für die Kriegsführung sicherzustellen. So sprach Scharping von Konzentrationslagern, der Berliner Kurier titelte „Serben-Killer treiben Albaner in KZ-Zonen“ und die BILD Zeitung “…Sie treiben sie ins KZ”. Ahistorische und geschichtsrevisionistische Vergleiche gehörten zur Tagesordnung. Die Tendenz zur Universalisierung der Shoah und der deutschen Täterschaft manifestierte sich so auch im deutschen Diskurs um den Kosovo-Krieg. Damit diente die deutsche Kriegsbeteiligung nicht zuletzt auch der nationalen Selbstfindung als einer moralisch überlegenen Nation, die ihre Vergangenheit aufgearbeitet habe und nun “wegen Auschwitz” Krieg führe.

Obwohl die Positionierung zum Kosovo-Krieg insbesondere innerhalb von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der (radikalen) Linken heftige Diskussionen auslöste, scheinen der Krieg und die Folgen des Zerfalls Jugoslawiens, heute weitgehend vergessen und finden nur selten Beachtung. In den innerlinken Debatten schien bereits damals die konkrete Situation in Serbien und im Kosovo eine untergeordnete Rolle zu spielen. Im Vordergrund standen oftmals mögliche (völkische) Kontinuitäten einer deutschen Balkan-Politik oder schematische Einordnungen und Positionierungen entlang klassischer Muster wie der Ablehnung der USA und der NATO, des deutschen Imperialismus oder der Unterstützung einer nationalen “Befreiungsbewegung” (der UÇK).

Wie wenig die Jugoslawienkriege im Geschichtsbewusstsein verankert sind, zeigen nicht zuletzt die Reaktionen auf den russischen Angriff auf die Ukraine: Beinahe reflexhaft deklarierten die hiesige Presse sowie einige Politiker:innen vollmundig, es handle sich um den ersten Krieg in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Demnach habe erst Putin die europäische “Friedensordnung” zerstört. Auch wenn der Zäsur, die der Krieg markierte, im politischen und medialen Diskurs weitgehend mit Desinteresse begegnet wird, muss dies nicht so bleiben. Dabei beschäftigen uns u.a. folgende Fragen: Inwiefern wird der Kosovo-Krieg verdrängt? Warum hat der NATO-Einsatz keinen Platz im kollektiven Gedächtnis gefunden? Lässt sich der Krieg als Schritt hin zur “Wiedergutwerdung” der postnazistischen Nation begreifen? Was sind die Gründe dafür, dass die deutsche Politik verlautbarte, in Serbien “die Fratze [der] eigenen Vergangenheit” (Rudolf Scharping) zu erblicken? Was konstituiert die Geschichte deutscher Politik und deutscher Interessen auf dem Balkan und welche Kontinuitäten und Brüche zeigen sich in Gegenwart, z.B. hinsichtlich der deutschen Politik gegenüber Serbien und dem Kosovo? Welche Positionen wurden in der (radikalen) Linken vertreten und welches Maß an Plausibilität lässt sich ihnen nach fast einem Vierteljahrhundert noch beimessen? Wie verhält es sich mit dem Erbe des Krieges in den betroffenen Regionen? Welche Rolle spielt er für Nationalist:innen, aber auch für progressive, emanzipatorische Kräfte?

Das Symposium am 20.04 wollen wir zum Anlass nehmen, gemeinsam auf den Prozess des Zerfalls und der Zerschlagung Jugoslawiens zu blicken, zu analysieren, inwiefern dieser Prozess im Allgemeinen und der Kosovo-Krieg im Besonderen als Projektionsflächen für die (Neue) Rechte und (radikale) Linke in Deutschland fungierten, damalige Analysen, Kritiken und Parteinahmen in den Konflikten einer kritischen Prüfung unterziehen und nicht zuletzt Beziehungen zur Gegenwart herstellen.

Zum Beginn wird Željko Taraš zur Geschichte Jugoslawiens referieren. Anschließend stellt Krsto Lazarević seine Analyse des Diskurses um Jugoslawien und dessen Zerfall in der extremen Rechten dar. Richard Schuberth nimmt schließlich die progressiven Positionen innerhalb der Linken kritisch in den Blick und reflektiert seine eigene persönliche Odyssee auf der Suche nach der Wahrheit der Jugoslawienkriege.
Abschließen wollen wir den Tag mit einer gemeinsamen Podiumsdiskussion.

Zeitplan:
11:00 – 12:00: Vortrag „Zur Geschichte Jugoslawiens“ (Željko Taraš )

12:15 – 13:15 Vortrag „Das multiethnische Jugoslawien und sein Zerfall als posthume Projektionsfläche der Neuen Rechten“ (Krsto Lazarević)

Mittagspause

14:30-15:30 Vortrag „Die Jugoslawienkriege und die (radikale) Linke – Eine Retrospektive“ (Richard Schuberth)

16:00 – 18:00 Podiumsdiskussion mit Željko Taraš, Krsto Lazarević und Richard Schuberth

Eine Veranstaltung der Gruppe der Polaris, des AStA der Universität zu Köln und Gesellschaft für kritische Bildung