Sozialer Umschwung im Olympialand? Brasilien in Bewegung

Datum: 
Donnerstag, 14. April 2016 - 19:30
Ort: 
Universität Köln - Seminargebäude S16
Kategorie: 
Veranstalter_in: 
Allerweltshaus
Bild: 

Wir laden Caróu Oliveira, eine Vertreterin der Bewegung für kostenfreien öffentlichen Nahverkehr - Movimento Passe Livre nach Deutschland ein.
Mobilität ist Teil der Bürger als ihr Recht auf Stadt, Bildung und Zugang zu öffentlichen Leistungen. Dies wird aber durch finanzielle Gründe erschwert. Großevents, wie die WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016, verschlimmern die Situation auf drastische Weise. Der Fahrpreis bedingt bei jeder Erhöhung einen gesellschaftlichen Ausschluss.

Movimento Passe Livre

Die Bewegung MPL existiert seit 2005 als „autonome, soziale, horizontale, parteilose und unabhängige Bewegung", die sich „für einen wirklich öffentlichen Nahverkehr" einsetzt, der „kostenlos für die gesamte Bevölkerung und frei von Privatinitiative" ist. Die MPL steht für eine Reform der Stadtverwaltung, damit der Bustarif an das Einkommen der Menschen angepasst wird. Allerdings geht es um mehr als nur um den Bustarif. Die MPL engagiert sich auch für den Abbau der allgemeinen sozialen Unterdrückung, wie beispielsweise der Korruption und der ungleichen Verteilung der öffentlichen Haushalts-gelder. Ebenso ist sie in Wohnungsbesetzungen oder Widerstand gegen Räumungen aktiv.

Landesweite Proteste

Im Juni 2013 machten in Brasilien Proteste mit zeitweilig über 1 Million TeilnehmerInnen auf sich aufmerksam. Es ging um eine landesweite Fahrpreiserhöhung von Bussen und Bahnen bis zu 20%. In Brasilien können 35% der Stadtbevölkerung die Bustickets nicht regelmäßig bezahlen, da die Kosten zu hoch sind. In Metropolregionen wie São Paulo geben Geringverdiener bis zu 1/3 ihres Gehaltes für den Nahverkehr aus.

Nach gemeinsamen Beschluss des Bürgermeisters Fernando Haddad und des Gouverneurs Geraldo Alckmin vom 30.12.2015, stiegen die Fahrpreise des Nahverkehrs um die Jahreswende von 3,50 R$ auf 3,80 R$. Der MPL kündigte daraufhin mehrere öffentliche Demonstrationen an. Der zweite Protestmarsch am Dienstag, den 12. Januar 2016, wurde von der Polizei, die mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorging, gewaltsam beendet, wobei es zu mehreren Verletzten seitens der protestierenden Bevölkerung kam. Auch bei weiteren Demonstrationen im Januar kam es zu Ausschreitungen zwischen der Polícia Militar und Mitgliedern des Movimento Passe Livre.

Deutschlandweite Vortragsreihe

In den Informations- und Diskussionsveranstaltungen soll darauf eingegangen werden, wie es einer kleinen Bewegung wie die Movimento Passe Livre gelang, einen Prozess neuer Politisierung, vor allem der Jugend und Menschen abseits von Parteizugehörigkeit zu initiieren. Es wird über aktuelle Entwicklungen berichtet und über wirtschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge in Brasilien kontrovers diskutiert.

Lässt sich zu Recht von einer neuen sozialen Bewegung sprechen? Schließlich formierte sich eine Protestbewegung, die keiner der politischen Kommentatoren oder Analysten des Landes vorausgesehen oder erahnt hatte.
Caróu Oliveira, MPL

Caróu Oliveira hat Geschichte an der Universität von Sao Paulo studiert und engagiert sich seit 13 Jahren in sozialen Bewegungen, für öffentliche Bildung, Waffenabbau, Frauenrechte, Rechte der Obdachlosen und städtische Mobilität.