Die Möllner Rede im Exil 2016

Datum: 
Sonntag, 20. November 2016 - 16:00
Ort: 
Kartäuserkirche Köln
Kategorie: 
Veranstalter_in: 
Kölner Forum "Tribunal NSU-Komplex auflösen

*reclaim and remember —
Die Möllner Rede im Exil 2016
*Es sprechen Doğan Akhanlı und Mitglieder der Familie Arslan*
So 20. November 2016, Kartäuserkirche Köln, 16 Uhr**

*reclaim and remember — Das Konzert*
*mit Mal Élevé (Irie Révoltés), Chaoze One,
Esrap und Microphone Mafia*
*Sa 26. November, Café Sabahçı, Keupstraße 87, Köln, 20 Uhr

*
Der rassistische Brandanschlag von Mölln 1992

*Am 23.11.1992 wurde im Schleswig-Holsteinischen Mölln das Haus der
Familie Arslan von Neonazis mittels Molotov-Cocktails angezündet. Die
10-jährige Yeliz Arslan, die 14-jährige Ayşe ­Yilmaz und die 51-jährige
Bahide Arslan starben in den Flammen. Weitere Familienmitglieder wurden
teilweise schwer verletzt. In der gleichen Nacht hatten die Täter
bereits einen ­weiteren Brandanschlag auf ein Haus, in dem Menschen
türkischer Herkunft wohnten, verübt, neun von ihnen erlitten schwere
Verletzungen.

Der rassistische Hintergrund der Tat war sofort offensichtlich, nicht
zuletzt, weil die Täter mit Telefonanrufen bei der Feuerwehr auf die
Brände aufmerksam machten und sich mit »Sieg Heil«-Rufen dazu bekannten.
Dennoch geriet in den folgenden Ermittlungen erst einmal die betroffene
Familie selbst in den Fokus und wurde mit Verdächtigungen konfrontiert.
Ein Schema, dass in Fällen rassistischer Gewalt immer wieder zum Tragen
kommt: die Opfer werden zu Tätern erklärt.
„Die Erinnerung zurück erkämpfen.

*Reclaim and remember. Jetzt erst recht“

*Auch das Gedenken an die Opfer und die Auseinandersetzung um die
rassistischen Taten bleibt umkämpft. Im offiziellen Gedenken wird den
Betroffenen oftmals die Rolle stiller Statist*innen zugewiesen. »Die
Gedenkfeiern wurden 18 Jahre lang so gemacht, wie die Stadt Mölln das
wollte, wir waren Figuren am Rand« berichtet Ibrahim Arslan, der den
Anschlag als Siebenjähriger überlebt hat. »Es wurden Reden gehalten, am
Ende ein Satz zu den Arslans. Danke, Applaus, auf Wiedersehen. Der
Bürgermeister von Mölln lädt Politiker anderer Städte, in denen
Anschläge waren, ein, aber nicht regelmäßig alle Opfer.«
Bestandteil der Gedenkveranstaltungen war seit 2009 immer auch die
Möllner Rede, als kritische Bestandsaufnahme zum gesellschaftlichen
Rassismus und Neofaschismus. Doch 2013 wurde die Möllner Rede aus den
offiziellen Gedenkveranstaltungen gestrichen. Es passte der stets um
ihren Ruf besorgten Stadt Mölln nicht in ihr Konzept, dass die Familie
die Redner*innen selbst aussuchte. Seitdem lädt die Familie und der
Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge in Mölln
jährlich zur Möllner Rede im Exil ein.

*Die Möllner Rede im Kölner Exil

*In diesem Jahr wird die Möllner Rede in Köln gehalten. Auch Köln war in
seiner jüngeren Geschichte mehrfach Tatort von rassistischen Anschlägen.
So verübte allein der NSU zwei Bombenattentate, die MigrantInnen töten
und in ihrem Umfeld Angst und Schrecken verbreiten sollten. Nur durch
glückliche Zufälle wurde durch die Detonationen in der Probsteigasse im
Jahr 2001 und in der bekannten Geschäftsmeile Keupstraße 2004 niemand
getötet, aber zahlreiche Menschen zum Teil schwer verletzt. Es gibt ein
Band, das die Opfer der Anschläge von Mölln und Köln verbindet. Sie eint
nicht nur die Erfahrung, mit rassistischem Terror konfrontiert zu sein
und als Opfer zum Täter erklärt worden zu sein, sondern auch die
Erfahrung von Solidarität. Mitglieder der Familie Arslan waren oftmals
in der Keupstraße zu Gast und haben hier den Opfern Mut zugesprochen.
Sie haben sie darin bestärkt gemeinsam ihre Geschichte zu erzählen und
Forderungen zu stellen. So ist die Familie Arslan ein Teil der
Geschichte dieser Straße geworden, an dem heute Rassismus unüberhörbar
angeklagt wird.

Die Möllner Rede findet in diesem Jahr zum sechsten Mal statt und wird
zum vierten Mal im Exil gelesen. Redner*innen der letzten Jahre waren
unter anderem die Journalistin Beate Klarsfeld und Argyris Sfountouris,
Überlebender des SS-Massakers im griechischen Distomo 1944. Dieses Jahr
wird die Rede von dem Schriftsteller und Menschenrechtler Doğan Akhanlı
gelesen. In seinen Romanen und Aufsätzen, in Interviews und Projekten
setzt Akhanlı sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit
historischer Gewalt und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein.
Aktuell beschäftigt er sich u.a. mit der rassistischen Mord- und
Anschlagserie des NSU.