Leerstellen, Bedarfe und Aktualisierungen der Antisemitismuskritik in Selbstverständnissen von Bildung, Forschung und Beratung
Dr'in Marina Chernivsky (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment, ZWST e.V.
Im Rahmen des FiSt- Kolloquiums "‚Critical Nexus‘ – Spannungsverhältnis Postkolonialismus - Antisemitismuskritik"
der Forschungsstelle für interkulturelle Studien
In den letzten Jahren haben die Widersprüche, Spannungen und Kontroversen zwischen Postkolonialismus und Rassismuskritik auf der einen Seite und Antisemitismuskritik auf der anderen deutlich zugenommen: Seit 2021 ist sogar von einem Historikerstreit 2.0 die Rede:
Ähnlich wie im Historikerstreit 1986/87 kreisen die Debatten der Gegenwart um die Frage nach der Präzedenzlosigkeit der Shoah und mit Jürgen Habermas ist sogar einer der Protagonisten derselbe. Doch während die revisionistischen Positionen der 1980er auf eine „Entlastung von (…) Verantwortung“ zielten, ginge es in der heutigen Debatte „um eine Verschiebung der Gewichte“, so Habermas.
Infrage stehen dabei (Dis)Kontinuitäten von Kolonialismus und Nationalsozialismus sowie die Vergleichbarkeit kolonialer Genozide mit der Shoah. Die Debatten der Gegenwart verhandeln zudem implizit wie explizit auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Rassismus und Antisemitismus -- nicht selten wird auch Israel als (post)koloniale Gesellschaft zum Gegenstand. Gerahmt werden die Kontroversen von dem Spannungsfeld der Historizität und des Erinnerns bzw. der Erinnerungskultur.
Soll es heute gerade nicht um „Erinnerung als höchste Form des Vergessens“ (Eike Geisel) gehen, droht durch historische Verzerrungen genau dies zu geschehen.
Die Kontroversen werden über traditionelle Medien, social media sowie durch Positionierungen/Beiträge von Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen, Künstler:innen oder Politiker:innen öffentlich ausgetragen. Entsprechend stehen auch Bildungsinstitutionen vor vielfältigen Herausforderungen und müssen die Spannungen und Konflikte insbesondere im Rahmen der formalen oder nonformalen politischen oder historisch-politischen Bildung aufgreifen.
Im Rahmen des FiSt-Kolloquiums im WS 23/24 gehen wir diesen Spannungsfeldern nach, beleuchten sie aus einer interdisziplinären Perspektiven hinsichtlich verschiedener Fragestellungen.
mittwochs 18-19:30 Uhr
Humanwissenschaftliche Fakultät der Uni Köln - IBW-Gebäude - H111 - Gronewalstr. 2 - 50931 Köln