#degrowth-communism?! – Utopien zwischen Klimakollaps und Wachstumszwang
Der SPIEGEL-Titel Nr.1, 2023, triggerte angeblich Linke, Klimas, Liberale und Bürgerliche zugleich. „Hatte Marx doch recht?“ steht in großen Lettern auf dem Titel, dazu ein tätowierter, „cooler Hippster“ mit Marx-Kopf. Marx trägt nicht nur ein grünes Hemd, sondern auch einen «There is no planet B»-Button – und für den Begriffsstutzigen hat der gute Marx ein Goldkettchen mit einem silbernen Anhänger um den Hals. Statt eines Kreuzes allerdings ein Windrad. Doch allein der Untertitel: „Warum der Kapitalismus so nicht mehr funktioniert – und wie er sich erneuern lässt“, dürfte Marx selber wohl kaum gefallen haben.
Ob beim Weltklimarat oder Ampel-„Regierung“ das Gespenst eines „nachhaltigen Kapitalismus“ spukt als neues Produktionsregime des Kapitalismus. Elektromotoren brummen für mehr Wirtschaftswachstum und durch CO2 Abspaltung und Kohlenstoffeinlagerung CCS [Carbon Capture and Storage] sei der Weg für die zukünftige „grüne“ Verbrennung von fossilen Energien und Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen gewiesen.
Der japanische Philosoph & Marxist Kohei Saito sieht in dieser „Technologie als Ideologie“ einen zentralen Grund für die Fantasiearmut, die in der heutigen Gesellschaft um sich greift, wenn es um die Frage geht: Was tun mit dem Klimakollaps? Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen benennt er als neues «Opium des Volkes» und fordert die Vergesellschaftung der großen Ölkonzerne, Großbanken und der digitalen Infrastruktur.
In seinem Buch «Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus» analysiert der Saito die Verflechtung von Kapital, Natur und Gesellschaft im Anthropozän. Den inneren Wachstumszwang des Kapitalismus sieht er als eine Grundproblematik der heutigen menschengemachten und kapitalgetriebenen Klimakrise.
In einer Re-Lektüre von Karl Marx versucht Saito die gröbsten Verfälschungen der marx'schen Kritik an Ausbeutung von Natur und Mensch durch den sogenannten Marxismus-Leninismus zu korrigieren und entwickelt ein Modell eines degrowth-communism. Dabei entdeckt Saito alternative Pfade der Diskussion bei Marx und plädiert für eine Dekarbonisierung unter anderem durch kürzere Arbeitszeiten und Priorisierung auf lebenswichtige Produktion.
Ganz neu sind derweil Diskussionen über einen "Kommunismus ohne Wachstum?" nicht; schon 1975 schlug der Ökostalinist und Dissident Wolfgang Harich der „Führung der DDR“ nach Lektüre des berühmten Club of Rom Report ein Null-Wachstum vor, und einige sehen in Harichs Utopie/Dystopie einer Ökodiktatur große Ähnlichkeiten mit den heutzutage vielfach diskutierten Vorstellungen eines "Öko-Leninismus", wie z.B. bei Andreas Malm (Buchautor von: Wie man eine Pipeline in die Luft jagt, 2020). Doch wieviel Befreiung steckt in „Utopien“ eines Kommunismus ohne Wachstum, wenn dieser „nur durch die unaufhebbare staatliche Gewalt marxistisch-leninistischer Parteien durchgesetzt werden“ könne, fragte spöttisch schon 1976 der Rätekommunist Paul Mattick.
Im ersten Teil der Veranstaltung stellen wir Aspekte der Idee eines degrowth-communism von Kohai Satio vor, um im zweiten Teil in einer Diskussion auf die Fragen nach der Rolle des Staates im Klimakollaps und die Suche nach einem revolutionären Subjekt „ökologische Klasse“ gemeinsam zu erörtern.
(Subversive Theorie, https://www.subversive-theorie.de/)
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