NRW sperrt ein und schiebt ab
30 Jahre Abschiebeknast Büren - kein Grund zu feiern!
Veranstaltungsreihe
Seit 30 Jahren gibt es einen Abschiebeknast in Büren. Anlässlich dieses traurigen Jubiläums organisieren wir zusammen mit dem Abschiebungsreporting NRW, dem Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“, dem Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall" und dem Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft
eine Veranstaltungsreihe. Damit werfen wir ein Schlaglicht auf Geschichte und Praxis der Abschiebehaft und der Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen und anderswo.
Den Auftakt macht eine Online-Veranstaltung:
„NRW sperrt ein und schiebt ab“
https://us02web.zoom.us/j/84071143697
In dem moderierten Zoom-Gespräch wird über die 30-jährige Geschichte des Abschiebeknastes Büren und über die Arbeit des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ berichtet. Daneben wird es aktuelle Informationen über die Diskussion um ein mögliches zweites Abschiebegefängnis in Düsseldorf sowie über die unverhältnismäßige Abschiebepraxis in NRW geben. Anschließend möchten wir gemeinsam diskutieren und überlegen, was den derzeitigen politischen Entwicklungen entgegengesetzt werden kann.
Als Sprecher:innen sind eingeladen:
Frank Gockel, Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW
Maria Fechter, Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall"
Hintergrund:
Im Januar 1994 wurde in einem Waldstück nahe dem ostwestfälischen Kleinstädtchen Büren die erste große Abschiebehaftanstalt NRWs eröffnet. Der Eröffnung vorangegangen waren rassistische Mobilisierungen auf der Straße, in den Medien und Parlamenten, der „Asylkompromiss“ von Mai 1993 und die Absenkung von sozialen Standards für Asylsuchende durch das sog. Asylbewerberleistungsgesetz. Der gesellschaftliche Diskurs war wie heute von der Senkung der Flüchtlingszahlen und schnelleren Abschiebungen geprägt: angebliche Pull-Faktoren für Flucht und Migration nach Deutschland sollten reduziert und abgelehnte Asylsuchende schneller abgeschoben werden.
Seit der Eröffnung vor 30 Jahren wurden in der ehemaligen NATO-Kaserne bei Büren zunächst Abschiebegefangene und später auch sogenannte Kurzzeitstraftäter inhaftiert. Nachdem 2014 der Europäische Gerichtshof und der Bundesgerichtshof eine gemeinsame Unterbringung von Abschiebegefangenen und Strafgefangenen verboten hatten, war dies das vorläufige Ende der Abschiebehaft in der JVA Büren. Im Mai 2015 kam es aber zur Wiedereröffnung als reine Abschiebehaftanstalt mit 100 Plätzen. Sie heißt seither „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA)“. Im Laufe der Jahre wurde die Aufnahmekapazität schließlich auf 175 Haftplätze erhöht.
Mit der Inbetriebnahme der Einrichtung 1994 begannen die Proteste gegen die Haftanstalt. Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." gründete sich. Er macht seitdem die inhumanen Zustände öffentlich und tritt politisch für die Schließung des Abschiebeknastes und die Abschaffung der Abschiebehaft ein. Der Verein leistet zudem praktische Unterstützung für die Gefangenen und vermittelt Rechtsanwält*innen. Zahlreiche Proteste und Demonstrationen fanden im Abschiebeknast selbst, vor dem Tor des Haftgeländes und in der Kleinstadt Büren statt.
Immer wieder kam und kommt es zu Suizidversuchen und Selbstverletzungen in der Abschiebehaft Büren. Die Praktiken der Überwachung von Abschiebehäftlingen, die als selbst- oder fremd-gefährdend eingestuft werden, erinnern mitunter an Folterpraktiken (bspw. Schlafentzug bei der sog. „Lebendüberwachung“). Trotz der Einrichtung eines Beirats, trotz Medienanfragen und der Arbeit des Vereins dringen meist nur wenig Informationen durch die Knastmauern nach draußen. 2018 berichtete die „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter" in einem Bericht über erhebliche Mängel in Büren.
Heute werden zunehmend mehr Menschen rein prophylaktisch in Abschiebehaft genommen. 2022 wurden in Büren über 1.100 Menschen inhaftiert, in den ersten drei Quartalen von 2023 waren es schon über 900. Die Bundesregierung will die Haft vor der Abschiebung mit dem sog. „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ausweiten und normalisieren. Und dass, obwohl Praktiker*innen wie die Menschen vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ und erfahrene Anwält*innen wissen, dass Menschen in über 50 % der Fälle rechtswidrig inhaftiert werden, wie spätere Gerichtsentscheidungen aufzeigen.
Und in NRW gibt es seit 2021 Diskussionen über den Bau eines weiteren Abschiebegefängnisses nahe des Düsseldorfer Flughafens. Zuletzt erteilte eine Landtagsmehrheit diesem Vorhaben Ende 2023 allerdings eine vorläufige Absage. Begründet wurde dies mehrheitlich allerdings nur damit, dass das Abschiebegefängnis Büren ja noch viele freie Plätze habe.
Weitere Aktionen der Veranstaltungsreihe (in Planung):
Kundgebung in Düsseldorf
Lesungen aus dem Buch „Die Würde des Menschen ist abschiebbar“
Genauere Informationen dazu folgen in den nächsten Wochen!